Über Lex Bos

Alexander Hector Bos wurde 1925 in Janeber auf Java geboren. Er studierte in den Niederlanden und arbeitete dort als  Unternehmensberater im NPI.
Er entwickelte als zentrale Theorie in seiner Dissertation die Dynamische Urteilsbildung, die er in dieser auch gleich praktisch erprobte.
Von seinen breiten sozialen Interessen zeugen seine Publikationen.
Er ist Mitbegründer der Triodos-Bank in Zeist/NL.
Lex Bos verstarb 2005 in Zeist.



Eine Buchbesprechung und gleichzeitig ein Nachruf auf Lex Bos von Albert Fink

Form kann Freiheit schaffen

Lex Bos - ein Lebensbild

 

Mit dem Titel „Form kann Freiheit schaffen“ erschien vor kurzem das „Flens­burger Heft“ Nr. 89, das ein Lebensbild von Lex Bos nachzeichnet. Das Heft stellt eine Reihe von Interviews zusammen, die Renate Hasselberg und Dierk Lorenz mit Lex Bos selbst führten, aber auch mit einigen seiner Mitstreiter und Weggefährten wie Adriaan Bekman, Schriftsführer des „Instituts für Mensch und Organisationsentwicklung“, Peter Blom, Direktor der „Triodos-Bank“, Martin van den Brock, Organisationsberater und Mitbegründer der „Stiftung Dialoog“, Jos Schoenmaker, Unternehmer in Brasilien. Außerdem enthält das 187 Seiten umfassende Buch Artikel von Lex Bos über die Ge­schichte des „NPI“ und die „Dynamische Urteilsbildung“ sowie von Martin van den Brock über die Entwicklung der „Dynamischen Urteilsbildung“ und die „Stiftung Dialoog“.

Beim Lesen des Heftes nimmt man erstaunt zur Kenntnis - auch wenn man Lex Bos kannte und mit ihm manchen Arbeitskontakt hatte - welche Fülle von Impulsen, Anregungen, Initiati­ven und durch Anthroposophie inspirierte Sozialtechniken er mit großer Gedankenklarheit entwickelt und in das konkrete, praktische Leben eingeführt hat. Des weiteren ist man berührt von der Vielzahl von Einrichtungen, die Lex Bos mitinitiiert, be­gleitet und beraten hat.

Sternstunde der Bewußtseinsseele

Blättert man nach dem Lesen zurück und vergewissert sich der Motive, die Herausgeber und Interviewer bei der Herausgabe des Heftes bewegten, so findet man Sät­ze wie:

  1. Sein Schaffen wirft einen Lichtstrahl in die Zu­kunft und kann Hoffnung und Mut entfachen für junge Menschen, ihr Leben zu ge­stalten und die Welt zu ver­ändern.
  2. Nicht nur die äußere, sondern auch die innere Biographie sollte gewürdigt werden: gibt es dabei wahrnehmbare und beschreibbare Wachstumsbedingungen, die als innerer Entwicklungsweg seine Lebensleistung erklären und verständlich ma­chen?
  3. Ist das, was er ausspricht und schreibt, authentisch mit seinem Tun?
  4. Kann Form wirklich Freiheit schaffen, etwa durch „Dynamische Urteilsbildung“, ein Ergebnis eines langjähri­gen persönlichen Schulungs- und Entwicklungsweges von Lex Bos?

Den Beteiligten ist es wirklich gelungen, diese Motive umzusetzen und Antwort­richtungen anzulegen.

Das letzte Interview, das mit „Sternstunden im Geistigen“ betitelt ist, vermittelt in der Tat so etwas wie eine Sternstunde der Bewußtseinsseele. Der Interviewte ist sich dessen, was er als Mitbegründer des NPI, bei der Aufbauarbeit für die Ent­wicklung anthroposophisch orientierter Organisationen in Brasilien, bei der Begrün­dung der „Triodos-Bank“ in Holland und insbesondere durch sein originäres Forschungsvorhaben der „Dynamischen Urteilsbildung“ geleistet hat, wohl bewußt; nichtsdestoweniger ist er sich über die Wirksamkeit der „Zwölf Drachen im Kampf gegen soziale Initiati­ven“ (eines seiner Bücher aus dem Jahre 1992) im klaren, die nicht irgendwo draußen, außer uns wirken, sondern die durch alle Seelen ziehen. Und er ist sich darüber klar, in welchem Umfange spiritu­elle Substanz zu entwickeln ist, um die Drachenkräfte zu verwandeln.

Es war vor allem die Hochachtung vor dieser Lebensleistung, die mich beim Lesen des Heftes stets begleitete. Diese Leistung wurde ständig gespeist durch ein intensives anthroposophisches Studium, Sich-Schulen und Streben. Ein Streben, das immer den anderen, das soziale Umfeld, die Gesellschaft, ja das Weltgeschehen mit umfaßte. In diesem Sinne war es auch stets der Weg eines Anthroposophen, der ganz davon durchdrungen war: Anthroposophie muß so lebensprak­tisch werden, daß sich eine neue Gesellschaft, auch eine neue anthroposophische Gesellschaft, bilden kann.

An dieser Stelle bemerken wir bei Lex Bos ein tragisches Lebensgefühl. Er hat langjährig als Hochschulmitglied, Lektor, im Kollegium der sozialwissenschaftlichen Sektion der „Freien Hochschule für Geisteswissen­schaft“, in der holländischen Anthroposophischen Gesellschaft gewirkt. Er litt darunter, daß wir zu einseitig den Erkenntnispol pflegen wollen und zu wenig auf die Sozialprozesse, Sozialgestaltungen und die gesellschaftsbildenden Techniken achteten. Er war ein echter Equilibrist zwischen sozialer Phantasie und sozialer Technik. Er be­tonte stark letztere, damit sich ersteres entwickeln kann. Daß dafür zu wenig angemessene Arbeitsweisen entwickelt werden konnten, erfüllte ihn mit produktiver Resignation.

Kultur der sozialen Technik

Noch ein Wort zu der oben angeführten zweiten Frage, die innere Biographie und deren wahrnehmbare und beschreibbare Wachs­tumsbedingungen in Bezug auf seine Lebensleistung be­treffend: Einmal ein tief die ganze Biographie durchzie­hender, durchgetragener Le­bensimpuls, eine Kultur der sozialen Technik gegen oder gerade wegen der vorhandenen Widerstände zu entwickeln. Ein tiefer Willens­impuls, der den Willen so kräftigte, daß er zum Denkwillen werden konnte. Denn das, was Lex Bos als „Dynamische Urteilsbildung“ bezeichnete, ist eine durch strenges, klares Denken entwickelte soziale Bewegungsform, die polare Gegensätze in Bewegung hält. Wenn man sich auf sie einläßt, kann sie feste Denk-, Verfahrens- und Gewohnheitsmuster auflösen und Denken, Fühlen und Wollen befruchten. Urteilsbildung und Handlungsorientierung werden Folge eines sozialen Prozesses.

Damit hängt auch die zweite          Wachstumsbedingung zusammen. An einigen Stellen des Lebensweges kann man solche Konstella­tionen bemerken, wie sie in Goethes „Märchen von der Schlange und der Lilie“ charakterisiert sind. «Es ist an der Zeit«, daß bestimmte Vorhaben im gesellschaftlichen Leben möglich werden. Es will ergriffen werden. Dazu ist notwendig, daß sich zur rechten Stunden die rechten Menschen zusammenfinden. Beim Eintauchen in diese eindrucksvolle Biographie von Lex Bos kann man den Eindruck haben, daß er so etwas wie ein kantisches Gespür im Laufe seines Lebens entwickelte, die ihn zu den rechten Weggenossen führte. Das konnte die soziale Kraft zur Entfaltung bringen, die neue Entwicklungen zur rechten Zeit möglich machte.

 

Publiziert in: Das Goetheanum, Nr., 2006, Feuilleton

 

Literatur: Lex Bos - ein Lebensbild. Form kann Freiheit schaffen, mit Bei-trägen von Adriaan Bekman, Peter Blom, Lex Bos, Martin van den Brock, Renate Hasselberg, Dierk Lorenz, Flensburger Hefte Nr.89/2005,187 Seiten, Euro 15.-.